Nach Beratung der Kultusminister der Länder am 4.12.2023 gab die Konferenz ihre Entscheidung zur Weiterführung der deutschen Tentativliste Weltkulturerbe bekannt. Das Gremium nahm die Bewerbung anderer Stätten an, darunter keine aus Sachsen. Das Lebensreformprojekt Hellerau wird ebenfalls nicht in die Tentativliste des Bundes eingehen. Das Verfahren sieht keine Revisionsmöglichkeiten vor. Der Beschluss ist für den aktuellen Bewerbungsdurchgang endgültig.
Der Förderverein Weltkulturerbe Hellerau nimmt mit Befremden wahr, wie in Verfahren und Bewertung mit seinem privaten ehrenamtlichen Engagement und dem Lebensreformprojekt Hellerau umgegangen wird.
Der nachvollziehbare Einsatz internationaler, deutschsprachiger Fachleute wird explizit begrüßt. Dass die Fachbeiratsbegründung jedoch eklatante Unstimmigkeiten enthält, ist nicht nachvollziehbar. Schon im ersten Verfahren enthielt die Ablehnungsbegründung ähnliche faktische Fehler.
Darüber hinaus hätte der Verein erwartet, dass auf die im aktuellen Antragsdokument klar kommunizierte Ausrichtung der Bewerbung als Lebensreformprojekt mit ihren vielfältigen Ausprägungen eingegangen wird. „Hellerau ist ein herausragendes, physisches Zeugnis der verschiedenen lebensreformerischen Strömungen des frühen 20. Jahrhunderts.“ Die Begründung der Ablehnung geht kaum auf diese Inhalte ein, sondern beschränkt sich auf die Bewertung der Gartenstadt und des Festspielhauses (heute HELLERAU Europäisches Zentrum der Künste). Die Begründung der Ablehnung geht fast ausschließlich auf diese Inhalte ein. Die schon im ersten Bewerbungsverfahren angemahnte „Präzisierung“ der Bewerbung kann der Vielfalt Helleraus als Ort der Lebensreform nicht entsprechen. Der Verein bedauert es zutiefst, dass das bewertende Gremium nicht in der Lage war, sich auf die für Hellerau so spezifische, ja geradezu seine Einzigartigkeit begründende Komplexität einzulassen. Der bewertende Fachbeirat nahm offensichtlich auch nicht wahr, dass im Kontext der Siedlungen der frühen Moderne keine einzige Lebensreformsiedlung zu finden ist, die wie Hellerau alle Aspekte der Lebensreform in ihren baulichen Zeugnissen abbilden kann. Diese Bedeutung wurde in einem detaillierten Vergleich Helleraus mit einer Vielzahl anderer Stätten belegt.
Mit der Ablehnung hat die Kultusministerkonferenz eine Chance verpasst, einen über seine baulichen Zeugnisse hinaus umfassend sozial und reformerisch gedachten Ort ins Bewusstsein der Menschheit zu rücken. Die hier verkörperten Inhalte sind nicht nur von größter gesellschaftlicher Relevanz in der heutigen Zeit, sondern auch im Welterbe unterrepräsentiert.
Zum zweiten Mal musste der Verein feststellen, dass sich am Verfahren zur Bewerberfindung auf Bundesebene nichts geändert hat. Es gibt für die Antragsteller keine Möglichkeit eines Einspruchs oder einer Evaluation. Die Teilnahme am Verfahren ist freiwillig und die Antragsteller sind mit den Bewerbungswegen und -umständen vertraut. Dennoch ist nicht nachvollziehbar, warum für die Kandidatenfindung eines so bedeutenden Titels wie dem Weltkulturerbe kein angemessener, zumindest in Hinblick auf die Begründung respektvoller Umgang gefunden werden kann. Wir hätten erwartet, dass dem Antrag mit der gleichen Ernsthaftigkeit begegnet wird, die der Verein in vielen Jahren der Beschäftigung mit der Bewerbung aufgebracht hat.
Der Förderverein Weltkulturerbe Hellerau e.V. steht nun vor der Aufgabe, seine elfjährige Arbeit der Erforschung des Ortes unter Einbeziehung der Hellerauer Bürgerschaft sowie nationaler und internationaler Experten für eine zukünftige Arbeit neu auszurichten.
Unsere private Initiative zusammen mit örtlichen Partnern sowie Unterstützern und Unterstützerinnen aus dem In- und Ausland organisierte Ausstellungen, öffentlichkeitswirksame Informationsveranstaltungen und brachte eine umfangreiche Publikation zu forschungsrelevanten Hellerauer Themen heraus. Diese Aktivitäten bestätigten, dass Hellerau eine herausragende universelle Bedeutung besitzt. Der Verein bedauert außerordentlich, dass die politischen Gremien dieser Überzeugung nicht folgten. Ungeachtet dieser Tatsache bleiben die Hellerauer Inhalte nicht nur historisch relevant, sondern aktuell spannend im weltweiten Maßstab und für die Landeshauptstadt Dresden inklusive ihrer Tourismusaktivitäten. Die Vereinsmitglieder werden zeitnah über die Zukunft des Vereins entscheiden.